Krankheiten, Gifte und Nährstoffmängel können die Nerven beschädigen und zu Beschwerden führen, die man als periphere Neuropathie bezeichnet. Die Symptome hängen stark davon ab, welche Nerven betroffen sind.
Einige Fachleute schätzen, dass 7 bis 8 Prozent der Bevölkerung unter Nervenschmerzen leiden. Bei älteren Menschen treten sie vermutlich noch etwas häufiger auf. Neuropathien, also Probleme mit den Nerven, sind also keine Seltenheit [1].
Lesen Sie in diesem Artikel, was genau eine Neuropathie ist, welche Formen der Nervenprobleme es gibt, was die häufigsten Ursachen sind und durch welche Symptome sie sich bemerkbar machen.
Neuropathie: Auf einen Blick
Bei einer Neuropathie übertragen einzelne oder mehrere Nerven ihre Signale nicht mehr richtig. Die Symptome hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind.
Sind sensible Nerven betroffen, kommt es unter anderem zu Kribbeln und Taubheitsgefühlen. Sind motorische Nerven betroffen, kommt es zu Muskelschwäche oder Krämpfen. Sind autonome Nerven betroffen, können ganz unterschiedliche Beschwerden auftreten, wie Schwindel, starkes Schwitzen, Magen-Darm-Beschwerden und Erektionsstörungen.
Mögliche Ursachen für eine Polyneuropathie, bei der viele Nerven geschädigt sind, sind Diabetes, Autoimmunerkrankungen, Vitamin-B12-Mangel, eine Zöliakie oder Vergiftungen. Einzelne Nerven werden oft durch Verletzungen oder Fehlbelastungen beeinträchtigt.
Was ist eine Neuropathie?
Neuropathie ist ein Überbegriff für Beschwerden, die im peripheren Nervensystem auftreten, also an den Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Deswegen sprechen Fachleute auch oft von der „peripheren Neuropathie“.
Was passiert bei einer Neuropathie?
Nerven sind dazu da, Signale durch den Körper zu schicken. Das Gehirn kommuniziert so über die Nervenbahnen mit dem Rest des Körpers. Es gibt Befehle und erhält Informationen, zum Beispiel dazu, was wir sehen, hören und spüren. Doch manchmal sind die Botschaften der Nerven gestört, weil Signale verloren gehen, unvorhergesehene Signale entstehen oder Signale fehlerhaft sind. In all diesen Fällen kommt es zu Problemen – eine Neuropathie tritt auf [2].
Diagnose und Behandlung
Wenn Sie vermuten, Problemen mit den Nerven zu haben, sollten Sie sich zeitnah ärztlich untersuchen lassen. Da es sehr viele unterschiedliche Ursachen gibt, ist es wichtig, dass Ihre Ärzt*innen dabei Ihre Krankheiten, Beschwerden und Lebensumstände gut kennen und Sie körperlich genau untersuchen. Oft werden Blutzucker, Vitamin B12, bestimmte Antikörper, Krankheitserreger und andere Werte im Blut bestimmt. Neurolog*innen können auch gezielte Untersuchungen anstellen und unter anderem die Nervenleitgeschwindigkeit messen [2].
In der Behandlung geht es dann vor allem darum, den Ursachen entgegenzuwirken – also zum Beispiel Krankheiten wie Diabetes behandeln, einen Vitamin-B12-Mangel ausgleichen oder bei einer Zöliakie die Ernährung umstellen. Gegen die Neuropathie selbst können in einigen Fällen bestimmte Medikamente helfen, zum Beispiel Epilepsie-Mittel, Antidepressiva und Schmerzmittel [1].
Welche Arten von Neuropathien gibt es?
Neuropathien unterscheiden sich je nachdem, worin ihre Ursachen liegen, wie viele Nerven betroffen sind und um welche Arten von Nerven es geht. Wir stellen Ihnen hier einige ausgewählte Unterscheidungen und Arten der Neuropathie vor. Mehr über die Ursachen erfahren Sie im Kapitel dazu weiter unten im Artikel.
Polyneuropathie und Mononeuropathie
Diese Unterscheidung richtet sich danach, ob nur ein bestimmter Nerv oder mehrere Nerven betroffen sind [2].
Polyneuropathie bedeutet, dass mehrere Nerven betroffen sind, oft im ganzen Körper. Eine häufige Unterart ist die diabetische Neuropathie, die in Folge der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus entsteht.
Mononeuropathie bedeutet, dass nur ein Nerv betroffen ist. Oft gibt es eine direkte Einwirkung auf den Nerv von außen, zum Beispiel durch Verletzungen bei einem Unfall oder einseitige Belastung. Ein bekanntes Beispiel ist das Karpaltunnelsyndrom, bei dem ein Nerv im Handgelenkt eingeklemmt wird. Dadurch kommt es zu Kribbeln, Taubheit und Schmerzen in den Fingern.
Art der betroffenen Nerven
Verschiedene Teile des Nervensystems haben verschiedene Aufgaben. Dementsprechend äußert sich eine Neuropathie sehr unterschiedlich, je nachdem, welche Nerven betroffen sind [2].
Autonome Neuropathie: Das autonome Nervensystem steuert zahlreiche wichtige Vorgänge und Organe im Körper, ohne dass wir Menschen viel davon mitbekommen. Je nachdem, welches Organ betroffen ist, können durch die autonome Neuropathie ganz unterschiedliche Beschwerden auftreten. Mögliche Folgen sind Durchfall, Erektionsstörungen, trockene Haut und Schwindel beim schnellen Aufstehen. Die Symptome sind oft eher schwach und unspezifisch, was es schwierig macht, sie auf die Nerven zurückzuführen. Diese Form der Neuropathie tritt oft bei Diabetiker*innen auf.
Motorische Neuropathie: Hier sind Nerven gestört, die für Bewegungen von Muskeln zuständig sind. Die Muskeln können geschwächt und sogar gelähmt sein, aber auch überreagieren, was zu Schmerzen, Krämpfen und ungewollten Bewegungen führen kann.
Sensible Neuropathie: Es sind Nerven beschädigt, die dafür da sind, Schmerzen, Temperatur oder Berührung wahrzunehmen. Während einige Betroffene unter Schmerzen leiden, haben andere zum Beispiel pelzige oder taube Hände oder Füße oder verlieren das Gefühl für warm und kalt.
Ursachen einer Neuropathie
In seltenen Fällen ist eine Neuropathie vererbt, das bedeutet, die Störungen der Nerven sind schon in den Genen festgelegt.
Mononeuropathien, die nur einen einzelnen Nerv betreffen, werden oft von Verletzungen oder Fehlhaltungen verursacht. Der Nerv wird dann zum Beispiel direkt beschädigt oder eingeklemmt. In vielen Fällen können Hilfsmittel wie Armschienen und orthopädische Schuhe die Beschwerden lindern.
Polyneuropathien wiederum können sehr unterschiedliche Ursachen haben, wie bestimmte Krankheiten, Unverträglichkeiten und Nährstoffmängel. Wenn Sie von einer dieser Formen der Neuropathie betroffen sind, ist es entscheidend, die Ursachen, die dahinterstecken, behandeln zu lassen – meist bessern sich dann auch die Nervenbeschwerden.
Hier stellen wir Ihnen einige der häufigeren Ursachen für Polyneuropathien vor.
Diabetische Neuropathie
Eine Neuropathie ist die häufigste Komplikation, die bei Diabetes mellitus auftritt. Ungefähr die Hälfte der langjährigen Diabetiker*innen entwickelt im Laufe Ihrer Erkrankung Nervenprobleme. 20 bis 30 Prozent der Menschen, die unter einer solchen diabetischen Neuropathie leiden, haben chronische Nervenschmerzen. Typisch sind vor allem brennende Schmerzen in den Füßen. In der Regel treten anfangs nur leichte Symptome auf, die nach und nach stärker werden [3].
Wer von diabetischer Neuropathie betroffen ist, hat oft gleichzeitig zu wenig Vitamin D. Wissenschaftler*innen sind sich noch nicht sicher, wie genau der Zusammenhang ist. Doch in einigen Studien besserten sich die Nervenbeschwerden, nachdem Betroffene Ihren Vitamin-D-Mangel durch Nahrungsergänzungsmittel behoben hatten [4].
Autoimmunerkrankungen
Einige Autoimmunerkrankungen, die systemisch sind, also den ganzen Körper angreifen, können eine Neuropathie verursachen. Dazu gehören zum Beispiel Lupus erythematodes, rheumatide Arthritis und das Guillain-Barré-Syndrom.
Weitere Krankheiten
Es gibt eine Reihe von weiteren Erkrankungen, die zu einer Neuropathie führen können, unter anderem [5]:
- Krankheiten, die die Blutgefäße verengen, zum Beispiel Arteriosklerose und Bluthochdruck
- Chronische Nieren- und Leberkrankheiten
- Bestimmte Arten von Krebs, zum Beispiel Knochen- und Lymphdrüsenkrebs
- Alkoholismus und Rauchen
- Bestimmte Infektionskrankheiten, wie Gürtelrose, HIV, Diphterie, Botulismus und Lyme-Borreliose
Neuropathie durch Vitamin-B12-Mangel
Vitamin B12 hat viele Funktionen im Körper. Unter anderem schützt es die Nerven und ist an deren Funktion beteiligt. Ein Vitamin-B12-Mangel kann deswegen den Nerven dauerhaft schaden und eine Polyneuropathie verursachen. Häufig treten daraufhin Symptome wie Lähmungserscheinungen, Kribbeln in Armen und Beinen, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen und Depressionen auf.
Auch andere Nährstoffe sind wichtig für Ihre Nerven. Ein Mangel an Kupfer, Vitamin B6 oder Vitamin E kann ebenfalls zu einer Neuropathie führen. Studien zeigen, dass sich die Symptome häufig bessern, wenn Betroffene den Nährstoffmangel mit Nahrungsergänzungsmitteln ausgleichen [6], [7].
Neuropathie durch Zöliakie
Wenn Menschen unter einer Zöliakie leiden, dann vertragen sie das Weizeneiweiß Gluten nicht. Nehmen Betroffene weiterhin Gluten zu sich, kann das auf Dauer unter anderem den Nerven schaden und eine Neuropathie verursachen. Eine solche Neuropathie schreitet langsam voran und ist am Anfang schwer zu erkennen. Halten sich Betroffene streng an eine glutenfreie Ernährung, lässt das die Beschwerden in vielen Fällen wieder zurückgehend [8].
Neuropathie durch Vergiftung
Auch Schadstoffe von außen können den Nerven schaden. Bestimmte Stoffe gelten als Neurotoxine, also als giftig für die Nerven. In zu hoher Dosis können sie eine Neuropathie verursachen. Zu den Neurotoxinen gehören [9]:
- Schwermetallvergiftung mit Blei, Arsen oder Quecksilber
- Drogen wie Heroin und Kokain
- Alkohol
- Pestizide
Auch Medikamente gegen Krebs können den Nerven schaden. Bei manchen Menschen verursachen Chemotherapie oder Bestrahlung eine Neuropathie [2].
Symptome einer Neuropathie
Die Symptome einer Neuropathie hängen ganz davon ab, welche Nerven betroffen sind. Am besten lassen sie sich nach der Art der beeinträchtigten Nerven unterteilen [1], [2].
Autonome Nerven: Schwindel beim Aufstehen, starkes Schwitzen, Hitzeempfindlichkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Erektionsstörungen, Herzrasen
Motorische Nerven: Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, Muskelzuckungen, Muskelschwund
Sensible Nerven: Schmerzen, Kribbeln, Taubheitsgefühle, verringertes Schmerz- oder Temperaturempfinden, unsicherer Gang
Quellen
[1] I. Gilron, R. Baron, und T. Jensen, „Neuropathic Pain: Principles of Diagnosis and Treatment“, Mayo Clinic Proceedings, Bd. 90, Nr. 4, S. 532–545, Apr. 2015, doi: 10.1016/j.mayocp.2015.01.018.
[2] „Peripheral Neuropathy Fact Sheet | National Institute of Neurological Disorders and Stroke“. https://www.ninds.nih.gov/peripheral-neuropathy-fact-sheet (zugegriffen 31. August 2022).
[3] A. Bahrmann u. a., „S2k-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter: 2. Auflage 2018 – AWMF-Register-Nr. 057-017“, Diabetologie und Stoffwechsel, Bd. 13, Nr. 05, S. 423–489, Okt. 2018, doi: 10.1055/a-0666-0820.
[4] K. Yammine, R. Wehbe, und C. Assi, „A systematic review on the efficacy of vitamin D supplementation on diabetic peripheral neuropathy“, Clin Nutr, Bd. 39, Nr. 10, S. 2970–2974, Okt. 2020, doi: 10.1016/j.clnu.2020.01.022.
[5] „Peripheral neuropathy - Causes“, nhs.uk, 3. Oktober 2018. https://www.nhs.uk/conditions/peripheral-neuropathy/causes/ (zugegriffen 2. September 2022).
[6] N. P. Staff und A. J. Windebank, „Peripheral Neuropathy Due to Vitamin Deficiency, Toxins, and Medications“, Continuum (Minneap Minn), Bd. 20, Nr. 5 Peripheral Nervous System Disorders, S. 1293–1306, Okt. 2014, doi: 10.1212/01.CON.0000455880.06675.5a.
[7] J. Stein, J. Geisel, und R. Obeid, „Association between neuropathy and B-vitamins: A systematic review and meta-analysis“, European Journal of Neurology, Bd. 28, Nr. 6, S. 2054–2064, 2021, doi: 10.1111/ene.14786.
[8] P. Zis und M. Hadjivassiliou, „Treatment of Neurological Manifestations of Gluten Sensitivity and Coeliac Disease“, Curr Treat Options Neurol, Bd. 21, Nr. 3, S. 10, Feb. 2019, doi: 10.1007/s11940-019-0552-7.
[9] W. Grisold und V. A. Carozzi, „Toxicity in Peripheral Nerves: An Overview“, Toxics, Bd. 9, Nr. 9, S. 218, Sep. 2021, doi: 10.3390/toxics9090218.