Der anaphylaktische Schock ist die stärkste allergische Reaktion – und kann sogar tödlich enden. Die häufigsten Auslöser sind Nahrungsmittel, Insektengift und Medikamente.
Ein angeschwollener Hals, Luftnot, Hautausschläge, Erbrechen, Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit – ein anaphylaktischer Schock kann sehr unterschiedliche und teils starke und sogar lebensbedrohliche Beschwerden verursachen. Dahinter steckt eine allergische Reaktion. Und da Allergien in der Regel nicht heilbar sind, bleibt Betroffenen meist nur, sich mit einem Notfallset zu wappnen und Auslösern wie bestimmten Lebensmitteln und Medikamenten aus dem Weg zu gehen.
Lesen Sie hier, was genau bei einem anaphylaktischen Schock im Körper passiert, was die häufigsten Auslöser sind, wer betroffen ist, an welchen Symptomen Sie die Anaphylaxie erkennen und welche Behandlungsformen es gibt. Außerdem: was können Sie als Außenstehender tun, um Betroffenen zu helfen?
Was passiert bei einem anaphylaktischen Schock?
Wie bei jeder Allergie reagiert der Körper auch bei der Anaphylaxie überempfindlich auf einen körperfremden Stoff [1],[2]. Das Immunsystem wird in Alarmbereitschaft gesetzt und bekämpft den eigentlich harmlosen Eindringling. Diese Reaktion des Immunsystems kann sich auf verschiedene Art und Weise bemerkbar machen. Die Symptome einer Allergie reichen von Hautausschlägen über Schnupfen und Niesen bis hin zu Atemnot. Als extremste allergische Reaktion gilt der anaphylaktische Schock. Hier können Betroffene aufgrund der ausgelösten Atemnot, des Blutdruckabfalls und des Herz- und Kreislaufversagens innerhalb weniger Minuten in Lebensgefahr geraten [3].
Schon gewusst? Jede extreme allergische Reaktion des Immunsystems bezeichnet man als eine Anaphylaxie. Ein anaphylaktischer Schock ist die schwerstmögliche allergische Reaktion.
Kommt der Körper mit dem Allergen in Kontakt, setzt das Immunsystem den Botenstoff Histamin frei [4]. Bei einem anaphylaktischen Schock werden so große Mengen Histamin ausgeschüttet, dass sich in einigen Fällen die Blutgefäße erweitern und sich gleichzeitig die glatte Muskulatur zusammenzieht. Das führt dazu, dass der Blutdruck sprungartig abfällt, bis hin zum Kreislaufversagen. Das kann zu einer Unterversorgung der lebenswichtigen Organe und im schlimmsten Fall zum Tod führen.
Was kann einen anaphylaktischen Schock auslösen?
Die Auslöser eines anaphylaktischen Schocks sind von Person zu Person unterschiedlich. In den meisten Fällen sind Nahrungsmittel, Medikamente oder Insektengifte Auslöser der extremen allergischen Reaktion.
Tabelle: Verteilung der Auslöser des anaphylaktischen Schocks [5]
Auslöser |
Kinder |
Erwachsene |
Nahrungsmittel |
60% |
16% |
Insektengifte |
22% |
52% |
Arzneimittel |
7% |
22% |
Sonstige |
5% |
3% |
Unbekannt |
7% |
6% |
Nahrungsmittel
Bei Kindern ist eine Lebensmittelallergie die häufigsten Ursache eines anaphylaktischen Schocks. Vor allem Allergien gegen Erdnuss, Walnuss und Haselnuss lösen bei vielen Betroffenen heftige Reaktionen aus. Andere mögliche Verursacher sind Fisch, Weizen, Hühnerei und Kuhmilch.
Auch hier gilt: Jeder Mensch reagiert unterschiedlich. Während einige direkt nach Kontakt mit dem Allergen reagieren, tritt die Reaktion bei anderen erst verzögert auf. Und auch die Menge, die es braucht, um die allergische Reaktion auszulösen, ist individuell.
Die sehr verdauungsresistente Erdnuss gilt als besonders gefährlich. Betroffene Allergiker*innen werden direkt über die Magen-Darm-Schleimhaut angegriffen.
Sind Sie selbst von einer Nussallergie betroffen, sollten Sie immer aufmerksam die Zutatenliste durchlesen und niemals zögern nachzufragen. In vielen Lebensmittel verstecken sich Nüsse, ohne dass wir sie dort vermuten, zum Beispiel in Kartoffelzubereitungen, Fertiggerichten, Süßwaren und auch Margarine [6] [7]. Ähnlich verhält es sich bei einer Eiallergie oder Milchallergie.
Bei manchen Allergiker*innen reichen bereits kleinste Mengen aus, um einen anaphylaktischen Schock auszulösen. Deshalb sind Nahrungsmittelhersteller verpflichtet, auch mögliche Spuren von Lebensmitteln in der Zutatenliste mit aufzuführen.
Insektengifte
Insektenstiche sind oft schmerzhaft und unangenehm, doch in der Regel nicht weiter schlimm. Anders sieht das bei Menschen mit einer Insektengiftallergie aus. Ein für die meisten harmloser Stich kann bei Betroffenen heftige allergische Reaktionen und sogar einen anaphylaktischen Schock auslösen.
Was diese Allergieform besonders macht: Sie entsteht nicht direkt nach dem Erstkontakt des Immunsystems mit der fremden Substanz, also dem Insektengift, sondern kann sich im Laufe der Zeit entwickeln. Kurz gesagt heißt das, dass auch nach mehreren Insektenstichen eine unerwartete allergische Reaktion auftreten kann [8].
Schon gewusst: Von den drei Hauptauslösern eines anaphylaktischen Schocks ist die Insektenallergie bisher die einzige behandelbare. In den allermeisten Fällen besteht die Möglichkeit einer Immuntherapie, bei der der Körper Schritt für Schritt an das Allergen gewöhnt wird. Die Heilungschancen stehen sehr gut [9].
Auch hier variieren die Symptome stark. Von Reaktionen, die nur bestimmte Körperstellen betreffen, bis zu Juckreiz am ganzen Körper und Atemnot, Blutdruckabfall und Herz-Kreislauf-Stillstand [8].
Medikamente
Auch bei einer Medikamentenallergie sind die Folgen sehr unterschiedlich und reichen von leichten bis zu schweren allergischen Reaktionen und einem anaphylaktischen Schock. Sofortreaktionen sind zum Beispiel Hautausschläge, Juckreiz oder Schwellungen der Schleimhäute. Die allergischen Reaktionen können aber auch erst nach einigen Tagen oder Wochen auftreten [11].
Schon gewusst: Neben der allergischen Reaktion bringt speziell die Medikamentenallergie ein weiteres Problem mit sich: Betroffene müssen auf alternative Medikamente ausweichen. Und die sind oft teurer und weniger effektiv, wodurch sich die Behandlung verzögern kann [10].
Die Symptome: Wie kann ich einen anaphylaktischen Schock erkennen?
Tritt ein anaphylaktischer Schock auf, muss sofort gehandelt werden. Die Symptome schnell zu erkennen und richtig zu deuten kann in vielen Fällen Leben retten [12].
Häufig liefern Hautrötungen, Juckreiz, Schwellungen des Mund- und Rachenbereichs sowie Atem- und Herz-Kreislauf-Beschwerden erste Hinweise. Weiter können krampfartige Bauchschmerzen und Erbrechen ein konkretes Zeichen sein [13]. Zur besseren Einordnung der Symptome der Anaphylaxie gibt es vier Schweregrade [14],[15]:
- Grad 1: Niesen, Husten, Juckreiz, Hautauschläge
- Grad 2: Atembeschwerden, Übelkeit, Bauchkrämpfe, Erbrechen, Blutdruckabfall
- Grad 3: Schwere Luftnot, Krampfanfälle, Durchfall, starker Blutdruckabfall
- Grad 4: Atemstillstand, Herz- und Kreislaufversagen
Bestimmte Faktoren wie Alter, Geschlecht und andere Erkrankungen beeinflussen die Entstehung und Verlauf eines Schocks. Auch Betablocker, die vor allem gegen Bluthochdruck eingesetzt werden, und Lebensstilfaktoren wie Stress, psychische Belastung, körperliche Anstrengung und Alkoholgenuss zählen zu diesen Faktoren [16],[17].
Wie wird ein anaphylaktischer Schock behandelt?
Weil es bei einem anaphylaktischen Schock auf schnelles Handeln ankommt und die Reaktion meist unerwartet eintritt, bekommen Betroffene in der Regel ein Notfallset verordnet. Dieses Set sollten Sie als Anaphylaxie-Patient*in immer dabeihaben. Das Wichtigste darin: ein Adrenalin-Pen, den Betroffene sich selbst injizieren können. Das Adrenalin wirkt dem Blutdruckabfall entgegen und verhindert so die schwerwiegenden Folgen des Schocks.
Einige Expert*innen empfehlen, sich anschließen mit Antihistaminika und gewissen Hormonen wie Kortikosteroiden zu behandeln, allerdings kommen Studien dazu bislang zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ob die Medikamente akut gegen Atemwegs- oder Herz- und Kreislaufbeschwerden wirken, ist bisher noch nicht vollständig belegt [15],[17],[18].
Neben der medikamentösen Behandlung eines anaphylaktischen Schocks ist es wichtig, weitere Maßnahmen einzuleiten. Notärzt*innen sorgen unter anderem dafür, dass Betroffene mit Sauerstoff versorgt werden.
Im Notfallset sollte sich neben dem benötigten Medikament außerdem ein so genannter Anaphylaxie-Pass befinden, in dem alle wichtigen Information zu finden sind [19].
Was kann ich als Außenstehender tun, um zu helfen?
Nicht selten kommt es vor, dass Menschen einen anaphylaktischen Schock haben, ohne vorher gewusst zu haben, dass sie auf bestimmte Dinge allergisch reagieren. In diesem Fall braucht es Personen, die wissen, was zu tun ist.
Erst einmal gilt: Ruhe bewahren. Nur so können Sie auch die betroffene Person beruhigen und das Gefühl vermitteln, dass alles gut wird. Falls es nicht der erste Schock ist und die Person ein eigenes Notfallset dabeihat, sollten Sie die darin enthaltenen Medikamente verabreichen. Außerdem sollte schnellstmöglich ein Notruf abgesetzt werden. Neben der medikamentösen Behandlung ist es vor allem wichtig, die Betroffenen richtig zu lagern. Konkret heißt das: bei Herz- und Kreislaufbeschwerden Füße hochlagern und bei Luftnot aufrecht hinsetzten, um das Atmen zu erleichtern. Im Falle von Schwellungen ist Kühlen sinnvoll.
Schon gewusst? Kommt es zu Atem- oder Kreislaufstillstand hilft die ABCD-Regel bei der Wiederbelebung. Atemwege freimachen, Beatmen, Circulation (durch Herzmassage den Kreislauf in Gang setzten, Drugs (engl. Für Medikamente) [20].
Anaphylaxie und anaphylaktischer Schock: auf einen Blick
Ein anaphylaktischer Schock gilt als die heftigste allergische Reaktion. Wie bei jeder Allergie wehrt sich das Immunsystem gegen einen vermeintlichen Schadstoff und löst in diesem Fall eine extrem starke Reaktion aus.
Die Symptome eines anaphylaktischen Schocks lassen sich in vier Grade einteilen. Sie reichen von punktuellen Hautausschlägen bis zum Atemstillstand.
Wenn Sie Symptome früh erkennen und schnell handeln, kann das lebensrettend sein. Starke Allergiker*innen sollten in jedem Fall den Kontakt zum Allergen meiden und immer ein Notfallset mit sich führen, um im Falle eines Schocks direkt handeln zu können.
Quellen
[1] „Anaphylaktischer Schock“. https://allergiecheck.de/allergie/anaphylaktischer-schock (zugegriffen 4. Mai 2022).
[2] „Allergien“, gesundheitsinformation.de. https://www.gesundheitsinformation.de/allergien.html (zugegriffen 2. Mai 2022).
[3] „Der Anaphylaktische Schock | Hilfe & Infos | Initiative Insektengift“, Insektengiftallergie. https://www.insektengiftallergie.de/der-anaphylaktische-schock/ (zugegriffen 29. April 2022).
[4] S. Anvari, J. Miller, C.-Y. Yeh, und C. M. Davis, „IgE-Mediated Food Allergy“, Clin. Rev. Allergy Immunol., Bd. 57, Nr. 2, S. 244–260, Okt. 2019, doi: 10.1007/s12016-018-8710-3.
[5] J. Ring u. a., „Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie - Update 2021“, Allergo J., Bd. 30, Nr. 1, S. 20–49, 2021, doi: 10.1007/s15007-020-4750-0.
[6] P. Poowuttikul und D. Seth, „Anaphylaxis in Children and Adolescents“, Pediatr. Clin. North Am., Bd. 66, Nr. 5, S. 995–1005, Okt. 2019, doi: 10.1016/j.pcl.2019.06.005.
[7] „Nussallergie - Symptome und Ursachen“, Gesundheitsportal. https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/allergie/nahrungsmittelallergie/nussallergie (zugegriffen 2. Mai 2022).
[8] „Insektengiftallergie“, gesundheitsinformation.de. https://www.gesundheitsinformation.de/insektengiftallergie.html (zugegriffen 2. Mai 2022).
[9] J. M. Tracy, „Insect allergy“, Mt. Sinai J. Med. N. Y., Bd. 78, Nr. 5, S. 773–783, Okt. 2011, doi: 10.1002/msj.20286.
[10] P. Demoly u. a., „International Consensus on drug allergy“, Allergy, Bd. 69, Nr. 4, S. 420–437, Apr. 2014, doi: 10.1111/all.12350.
[11] „Medikamentenallergie“, gesundheitsinformation.de. https://www.gesundheitsinformation.de/medikamentenallergie.html (zugegriffen 2. Mai 2022).
[12] J. Zilberstein, M. T. McCurdy, und M. E. Winters, „Anaphylaxis“, J. Emerg. Med., Bd. 47, Nr. 2, S. 182–187, Aug. 2014, doi: 10.1016/j.jemermed.2014.04.018.
[13] „Anaphylaxis | Symptoms and Treatment“. https://patient.info/allergies-blood-immune/allergies/anaphylaxis (zugegriffen 3. Mai 2022).
[14] D. M. S. GmbH, „Anaphylaxie“, DocCheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/Anaphylaxie (zugegriffen 3. Mai 2022).
[15] D. Ä. G. Ärzteblatt Redaktion Deutsches, „Anaphylaxie: Wie richtig handeln?“, Deutsches Ärzteblatt, 9. März 2018. https://www.aerzteblatt.de/archiv/196565/Anaphylaxie-Wie-richtig-handeln (zugegriffen 29. April 2022).
[16] „Auslöser“. https://www.daab.de/anaphylaxie/ausloeser/ (zugegriffen 9. Mai 2022).
[17] F. E. R. Simons, „Anaphylaxis“, J. Allergy Clin. Immunol., Bd. 125, Nr. 2 Suppl 2, S. S161-181, Feb. 2010, doi: 10.1016/j.jaci.2009.12.981.
[18] L. V. Luss, „[Use of antihistamines in a physician’s clinical practice]“, Ter. Arkh., Bd. 86, Nr. 8, S. 106–109, 2014.
[19] D. M. S. GmbH, „Allergie-Notfallset“, DocCheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/Allergie-Notfallset (zugegriffen 4. Mai 2022).
[20] M. I. Montañez u. a., „Epidemiology, Mechanisms, and Diagnosis of Drug-Induced Anaphylaxis“, Front. Immunol., Bd. 8, S. 614, Mai 2017, doi: 10.3389/fimmu.2017.00614.